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Künstliche Intelligenz – was R2D2 noch nicht konnte

Von nützlichen zu klugen Computern

Viele von uns werden noch R2D2 kennen, den klugen kleinen Helfer der Jedi-Ritter aus der Serie Star Wars. Zusammen mit seinem etwas trottelig wirkenden Freund C-3PO, einem humanoiden Protokolldroiden, hat er sich auf all seinen galaktischen Missionen als sehr vielseitig und nützlich erwiesen. Ob es um das Knacken von Code oder die Steuerung eines X-Wing Starfighters geht, der kleine Roboter mit dem großen Herzen kann es. Dennoch ist er technisch in die Jahre gekommen, seit er 1977 erstmals für Prinzessin Leia in geheimer Mission unterwegs war. R2D2 ist nützlich, so wie die Computer, mit denen wir bisher unsere Welt automatisiert haben. Er bleibt aber mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten auf die Welt von Star Wars und seiner Protagonisten beschränkt und damit hinter den Zielen, die wir uns mit moderner Künstlicher Intelligenz setzen. Auch zeigt er keine Machine Learning oder Deep Learning Fähigkeiten, mit denen heutige KI kontinuierlich selbsttätig dazu lernt. Letzteres ist eines ihrer wesentlichen Merkmale. R2D2 ist zudem physisch gebunden. Sein metallener Körper ist immer nur an einem Ort verfügbar und er kann nicht gleichzeitig und in wenigen Sekunden eine Vielzahl sehr verschiedener Aufgaben für Tausende von Nutzern bewältigen, die rund um den Globus verteilt sind. Moderne KI hat aber genau all diese Eigenschaften. Ihre Anwendungsmöglichkeiten sind orts- und zeitlos, fachlich universell, sie umfassen so unterschiedliche Disziplinen wie Medizin, das Finanzwesen oder Literatur. Mit ihr sind wir derzeit in der Übergangsphase von der Epoche der nützlichen in die der klugen Computer, von der dritten Industriellen Revolution zur vierten. Sie wird alles prägen, was noch kommen wird. In spätestens 10 Jahren wird KI eine Selbstverständlichkeit unseres Alltags sein. Sie wird Krankenhäuser und unsere Energieversorgung managen, Aktienkurse vorhersagen, autonome Autos steuern, zu wesentlichen Durchbrüchen in der Material- und Pharmaforschung beitragen, Krankheiten aufgrund von Röntgenbildern zuverlässig erkennen, die sog. Präzisionslandwirtschaft ermöglichen, den Krieg und die Waffen neu erfinden und uns zahlreiche kleine und große Annehmlichkeiten im Haushalt oder etwa beim Reisen bescheren. KI wird allgegenwärtig und alltäglich sein, sehr viel schneller etwa als Computer oder das Internet es in ihren Anfängen waren. Warum ist das so?

Big Bang und expandierende Universen

Mit KI haben sich schon John von Neumann und Alan Turing, beide große Vordenker der modernen IT, in den 40er -und 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts beschäftigt. Es hat über 70 Jahre gedauert, bis sie mit Vehemenz in unser Bewusstsein gerückt ist. Grund dafür ist das Large Language Model (LLM) GPT-3 des US-Unternehmens OpenAI, das ab Mitte 2020 Entwicklern über seine APIs zur Verfügung stand. Im November 2022 wurde es in der verbesserten Version ChatGPT dem breiten Publikum zugänglich gemacht. Hinter ihm steht Microsoft mit einem zweistelligen Milliardeninvestment. Das Produkt hat in der IT einen öffentlichkeitswirksamen Urknall ausgelöst.

Big Bang DALL·E 2023-09-07 14.03.16 - paint a picture of the big cosmic bang
Bild generiert mit DALL-E

Seit dem liefern sich etablierte Hersteller und Startups einen Sternenkrieg um die Pole Positions im Markt. Anders als bei den ersten Computern oder dem Internet existiert die gesamte Bandbreite an Voraussetzungen für eine sehr schnelle Massenadaption Künstlicher Intelligenz. Für die Nutzung von ChatGPT brauche ich nichts anderes als einen Webzugang, meinen Laptop und einen Browser. Mit der ChatGPT-App nutze ich den KI-Engine auf meinem Smartphone. Kostenlos oder als Plus-Version zu erschwinglichem Preis mit unkomplizierter Handhabung, alles sehr gewichtige Erfolgsfaktoren für die schnelle Adaption neuer IT. Die Integration in gängige Suchmaschinen tut ihr Übriges. Das oben gezeigte Bild des Big Bang habe ich übrigens, wie ein paar andere auch in diesem Blog, mittels Spracheingaben mit der KI-Software DALL-E2 erzeugt. Das macht Spaß und spart Lizenzgebühren für Photos, die künstlichere Beurteilung überlasse ich berufeneren Häuptern. Das notwendige technische Verständnis für die Nutzung von DALL-E2 ist gleich Null.

Für Unternehmen werden APIs zur Verfügung gestellt, so dass sie ihre geschäftlichen Anwendungen leicht an einen der angebotenen KI-Engines anbinden können. Datenanalyse, die Erzeugung von Inhalten, wie z.B. Marketingtexten und Programm-Code oder etwa die Automatisierung von Prozessen, liegen in Reichweite meiner Tastatur.

Das Universum der KI expandiert sehr schnell. Google hat mit BARD im Zeitraffer auf ChatGPT reagiert, da es sein Suchmaschinengeschäft bedroht sieht. Der chinesische Internet-Gigant Baidu brachte ERNIE und Kunlun auf den Markt, Meta zog mit Llama 2022 erneut ins Rennen, nachdem ein erster Anlauf weniger erfolgreich war. Inzwischen differenzieren viele KI Firmen sich thematisch aus, wie etwa die 2014 von Google akquirierte Deep Mind. Sie ist u.a. mit Anwendungen im Automobil-, Gesundheits- und Energiesektor tätig.  Ein im September 2023 publiziertes Research Paper der Marktforscher von CBInsights kommt zu dem Ergebnis, dass sich in den ersten sechs Monaten 2023 die Investitionen in KI-Firmen im Vergleich zum gesamten Vorjahr verfünffacht haben. Aktuell haben bereits 18 Unternehmen den Einhorn-Status erreicht. Ein gutes Beispiel für das antizipierte Wachstum ist das Gesundheitswesen. Bis 2030 soll dieser Markt nach der Prognose von Grand View Research von 15,4 Mrd. USD in 2022 auf 208 Mrd. in 2030 wachsen

Foto von DeepMind auf Unsplash

Aus ChatBot wird CheatBot

Das konnte R2D2 nun wirklich nicht: Hausaufgaben erledigen und bei Examen der heimliche Helfer beim Pfuschen sein. Aus dem ChatBot wird der CheatBot. Laut Webseite der South China Morning Post nimmt die chinesische Regierung das Problem so ernst, dass Studenten die Aberkennung ihres Abschlusses riskieren, sollten sie beim Pfuschen mit einem ChatBot erwischt werden. Im übrigen dürfte der dortigen Zensur die Benutzung des populären ChatGPT ohnehin ein Dorn im Auge sein. Indem man sie sanktioniert, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe.

Die Nutzung von KI im Bildungssystem beschränkt sich natürlich nicht auf die hier augenzwinkernd referierte Möglichkeit. Personalisiertes Lernen etwa, bei dem auf die speziellen Bedürfnisse von Individuen in Abhängigkeit von ihren Lernfortschritten und Fähigkeiten eingegangen werden kann, ist eine von vielen. Ich möchte anhand der folgenden zwei Beispiele auf den Kosmos der Chancen, den KI auf unterschiedlichsten Gebieten eröffnet, eingehen. So verschieden sie sein mögen, eines ist allen KI-Applikationen gemeinsam: riesige Datenbestände als Grundlage für die Muster und Erkenntnisse, die sich daraus ergeben. Ohne Big Data keine KI.

To go where no man has gone before

Foto von Stefan Cosma auf Unsplash

Die gegenwärtige Diskussion über KI ist selbst im angelsächsischen Sprachbereich geprägt von negativen Aspekten. Da ist etwa von großflächiger Jobvernichtung die Rede, selbst das Ende der Menschheit scheint nahe, weil intelligente Maschinen die Weltherrschaft übernehmen. Wie wäre es denn, wenn wir KI mal als Chance für unseren Kampf gegen Fachkräftemangel begreifen würden, statt als Jobvernichter? Um hier keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen: Wie immer im Umgang mit technischen Innovationen, die das Potenzial haben, einen grundlegenden Einfluss auf unser Leben zu haben, ist natürlich auch bei Künstlicher Intelligenz Naivität nicht angebracht. Ich werde mich an anderer Stelle noch ausführlicher damit beschäftigen. Wichtig ist im Umgang mit KI, dass wir uns immer der Tatsache bewusst sind, dass sie stets nur eine der möglichen Antworten auf unsere Fragen gibt. Insofern ist sie nicht viel anders als wir Menschen. Tatsache ist, dass sie mittlerweile für Jobs infrage kommt, bei denen geistige Leistungen und generative Fähigkeiten gefragt sind. Typisch für unsere Medien, werden Chancen durch Technik jedoch weit weniger diskutiert als Risiken. Das legt mir, um im Duktus dieses Beitrags zu bleiben, den Vergleich zwischen Star Wars mit der 10 Jahre früheren Serie Star Treck, nahe. Captain Kirk, der Protagonist von Letzterer, ist ein optimistischer Mensch, der Chancen sieht und nicht nur Probleme. Dagegen ist Luke Skywalker, der Held von Star Wars, voller Bedenken und wittert überall die Gefahr. Kirks oben zitierter Satz macht das deutlich. "Dort hin zu gehen, wo kein Mensch zuvor gewesen ist." Genau diese Möglichkeit aber zeichnet sich mit dem Potenzial von Künstlicher Intelligenz deutlich ab. Inwieweit wir es heben können, hängt an unserem Willen, das Ziel von Captain Kirk zu unserem zu machen.

Beispiel 1: Gesundheitswesen. – Die enormen Möglichkeiten von KI-Anwendungen im Gesundheitswesen spiegeln sich nicht zuletzt im Wachstum dieses Marktes wider. KI hilft dabei, individualisierte Behandlungspläne für Patienten zu erstellen, welche deren medizinische Historie, Umwelteinflüsse, genetische Faktoren und ihren Lebensstil berücksichtigen. Roboterarme unterstützen Chirurgen bei Operationen. Sie helfen, deren "physische Schwankungen" – etwa Müdigkeit – auszugleichen. Chirurgen werden zudem mit ihrer Hilfe präzisere Schnitte durchführen können und erhalten in Echtzeit aktualisierte Informationen über den Operationsbereich, wie z. B. die Position von Blutgefäßen und Nerven. Besonders beeindruckend ist die KI-basierte Entwicklung zweier vielversprechender, derzeit noch experimenteller Antibiotika aus den Jahren 2019 und 2023: Halicin und Aubacin. Sie wurden am MIT mit Hilfe von intelligenten Maschinen, die auf ebenso intelligente Weise programmiert und mit den richtigen Daten gefüttert wurden, entdeckt. Mit ihnen lassen sich Bakterien bekämpfen, die bisher als resistent gegen Antibiotika gelten. Nicht nur das Ergebnis selbst, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der es erzielt wurde, ist bemerkenswert.

Foto von Jason Blackeye auf Unsplash

Beispiel 2: saubere Energie. – Verglichen mit der Medizin, ist die Anwendung von KI bei der Erzeugung und Nutzung von umweltfreundlicher Energie noch stark in ihren Anfängen. Die aktuellen Ansätze zur Reduzierung schädlicher Nebeneffekte der Energieerzeugung (CO2-Emissionen, nukleare Abfälle, …) basiert nicht unwesentlich auf staatlicher Regulierung, wie z.B. CO2-Zertifikatshandel oder der Ausstieg aus bestimmten Energieformen. Staatliche Regulierung aber endet an den Grenzen eines Landes. Wenn sie darüber hinausgehen soll, wie in der EU, dann wird es zum einen schwer, Kompromisse zu finden und zum anderen ein stringentes Maß der Implementierung zu erzielen. Auf globaler Ebene haben die Ergebnisse des G20 Gipfels in Indien im September 2023 sehr deutlich gemacht, dass nicht jedes Land bereit ist, Klima vor Wirtschaft zu stellen. Technik kann helfen.

KI hilft einerseits dabei, das Energiemanagement, wie z.B. Verbauchsvorhersagen oder den Netztransport, effizienter zu machen, andererseits perspektivisch auch die Erzeugung großer Mengen umweltfreundlicher Energie zu ermöglichen. Der große Durchbruch bei der Energieerzeugung wäre die Kernfusion. Sie ist Zukunftsmusik, aber bei weitem keine Science Fiction mehr. Bei der Kernfusion werden die Kerne von Wasserstoffatomen zu schwereren Atomen, wie etwa die von Helium, verschmolzen. Dabei werden riesige Mengen an Energie frei, ähnlich den Vorgängen in unserer Sonne. Es entstehen keine langlebigen, gefährlichen radioaktiven Abfälle und andere Risiken, wie bei der heutigen Kernspaltung in unseren Atomkraftwerken. Als ein wichtiger Meilenstein bei der Verwirklichung der Kernfusion ist es mit Hilfe eines KI-Models gelungen, das für die Fusion benötigte, hunderte Millionen Grad heiße Plasma mit Hilfe von Magnetfeldern kurze Zeit zusammenzuhalten. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um Energie daraus zu erzeugen. Das angewandte Model hat dabei die Magnetfelder auf eine Art manipuliert, wie sie bisher von Menschen noch nie genutzt wurde. Was sich hier wie ein kleiner Schritt anhören mag, ist in Wirklichkeit ein großer.

Ernergiesparen ist eine andere Art von sauberer Energie. Was hier mit KI machbar ist, zeigt ein Beispiel aus der Welt des Cloud Computing. In 2022 standen die Rechenzentren dieser Welt für ca. 1 – 1,3% des gesamten Stromverbrauches. Das liegt in etwa auf dem Niveau der Chemischen Industrie und der Eisen- und Stahlerzeugung. Aufgrund fortschreitender Digitalisierung kennt die Verbrauchskurve der Rechenzentren nur eine Richtung: steil nach oben. Für die Betreiber ist das sowohl ökonomisch wie auch politisch ein Problem. Das Gros des Verbrauches resultiert aus dem Betrieb der Server und deren  Kühlsystemen. Solche komplexen Systeme sind mit herkömmlichen Methoden nur bis zu einem gewissen Grad optimierbar. Google hat daher eigene, lernende Maschinen darauf angesetzt und im Ergebnis eine Reduktion des Stromverbrauches von 40% bei den Kühlsystemen erzielt. Die zugrunde liegende Applikation wird natürlich vermarktet und steht Drittfirmen in der Google-Cloud zur Optimierung des eigenen Energieverbrauches zur Verfügung. Kein schlechter Nebeneffekt.

 

Beitragsbild von Tomasz Mikolajczyk auf Pixaby

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