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Deutschlands KI-Startups: Status Quo und Perspektiven

Die Wahrheit steckt (meistens) in den Zahlen

Folgt man den Angaben der Trendanalysten von Exploding Topics, dann gibt es weltweit rund 70.000 KI-Startups. Jeder Vierte von ihnen sitzt in den USA. Misst man nicht nur ihre Anzahl, sondern auch die sog. "Artificial Intelligence Capacity", also Kriterien wie verfügbare Talente, technische Infrastruktur, Forschung und Entwicklung sowie die Möglichkeit der erfolgreichen Kommerzialisierung von Produkten, dann landet Amerika ebenfalls auf Platz 1, mit recht großem Abstand gefolgt von China als Nummer 2. Unter den Top 10 ist Deutschland auf Platz 8, vor der Schweiz und Finnland. Nach Parametern wie etwa Bruttoinlandsprodukt, Industrialisierungsgrad und Bevölkerungszahl haben wir also noch etwas Platz nach oben. Positiv zeigt sich das Wachstum: Für Ende 2023 zeigt die wissenschaftlich gut fundierte Seite AI Startup Landscape Germany insgesamt 508 KI-Startups, das entspricht einer Zunahme von 67 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Global repräsentieren sie aber nur 0,72 Prozent der Gesamtheit der 70.000. Betrachtet man sie aus der Sicht ihrer Produkte, dann ergeben sich folgende Lösungsschwerpunkte: Enterprise Functions (Produktivitätssteigerung), Enterprise Intelligence (Kapitalisierung von Daten), Technologie Type (Tools für Produktentwicklung) und Industries (branchenbezogene Produkte).

In Sachen Zufluss von Venture Capital haben wir ebenfalls noch etwas Luft nach oben. In einer Umfrage des ITK-Branchenverbandes Bitkom von Mitte 2023 gaben 79 Prozent der IT-Startups an, dass durch die konjunkturelle Entwicklung Investoren deutlich zurückhaltender geworden sind, 70 Prozent nannten in den kommenden 24 Monaten einen Kapitalbedarf von durchschnittlich 2,3 Millionen Euro. Angesichts der enorm schnellen Entwicklung nimmt sich diese Zahl allerdings eher bescheiden aus.

Hoffnung in Sachen KI gibt die 500 Millionen US-Dollar Investition, die Aleph Alpha aus Heidelberg im November 2023 erhielt. Für deutsche Verhältnisse bemerkenswert ist auch die auf einer Bewertung von zwei Milliarden US-Dollar (!) basierte Finanzspritze von 300 Millionen für die Kölner KI-Schmiede DeepL vom Mai 2024. Während es sich bei den Investoren von DeepL um "traditionelle" Venture Caplitalists handelt, zeigt die Finanzierungsrunde für Aleph Alpha eine interessante Besonderheit: Mit SAP, der Schwarz Gruppe (Lidl, Kaufland), Bosch, dem Medienkonzern Burda und Hewlett Packard hat der Startup die Anwender gleich mit an Bord. Das öffnet Raum für Kooperationen und gemeinsame Entwicklungen und hilft enorm bei der so erfolgskritischen Kommerzialisierung der Produkte. Ähnlich – wenn auch im sehr viel größeren Umfang eines insgesamt 13 Milliarden US-Dollar Investments – geht es bei Microsoft und OpenAI (ChatGPT) zu. Hier ist der größte Kapitalgeber gleichzeitig einer der größten Kunden und kann so darauf achten, dass sich die Ergebnisse der KI-Entwicklung kommerziell und strategisch gut verwerten lassen. Laut den schon zitierten Zahlen von Exploding Topcis ist die Adaptionsrate (Deployment Rate) von KI-Technologie durch die Unternehmen in Deutschland mit 35 Prozent ziemlich genau im globalen Durchschnitt. China führt mit 58 Prozent und die USA kommen auf magere 25 Prozent. Die stark wachsende Bedeutung Chinas im Hinblick auf KI zeigt sich übrigens auch bei der Anzahl der aktiven Patente. Unter den Top 10 weltweit waren 2022 sieben chinesische Firmen, darunter die "nicht-IT Firmen" Ping An Versicherung und der staatliche Energieversorger State Grid Corporation. Allein die beiden chinesischen Technologieriesen Baidu und Tencent hielten jeweils mehr als doppelt so viele KI-Patente wie Microsoft. Die einzigen nicht-Chinesen waren IBM, Samsung und Microsoft, aus Deutschland und Europa ist niemand auf der Liste. Russland spielt in der KI global so gut wie keine Rolle. Putin bohrt lieber weiter nach fossilen Brennstoffen und tötet mit dem gewonnenen Geld seine Nachbarn, statt es zukunftsorientiert zu investieren. – Verpasste Chancen nennt man das.

Das Rennen um die vordersten Plätze in der KI wird – bei realistischer Betrachtung – daher weitgehend ohne Deutschland und die anderen Europäer stattfinden. Aber auch wenn die deutschen Zahlen angesichts des Vergleiches mit den USA und China nicht mithalten können, so gibt es doch positive Ansätze. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung vom März 2024 zeigt, dass für 63 Prozent der KI-Startups in Deutschland Erlöse aus dem laufende Geschäft eine Finanzierungsquelle von großer Bedeutung sind. Das passt zu der oben erwähnten Adaptionsrate von Künstlicher Intelligenz durch deutsche Unternehmen. Dennoch wird es ohne starkes Funding nicht gehen. Das weiß ich aus Erfahrungen mit einem eigenen Software Start-up. Ohne dieses Geld sind Quantensprünge in der Produktentwicklung und damit auch in der Konkurrenzfähigkeit recht unwahrscheinlich.

Welche Perspektiven ergeben sich daraus?

Unsere naheliegende Stärke liegt in der Durchdringung von Industriesegmenten mit unterschiedlichen Kategorien von KI-Anwendungen. –  Insbesondere von solchen, in denen Deutschland auf dem Weltmarkt eine führende Rolle spielt. Das legen auch die oben erwähnten Lösungsschwerpunkte nahe. Sie sind kein schlechter Ausgangspunkt für eine Wachstumsstrategie im In- und Ausland. Im globalen Spiel um KI müssen wir unsere Unternehmen bei der Entwicklung eigener Lösungen auch staatlich stark unterstützen, wie es China bereits erfolgreich vormacht. Subventionen müssen mehr in die Zukunft fließen, als in die Absicherung der Vergangenheit. Bei der Kommerzialisierung von Produkten lassen sich zudem die Vorteile eines gemeinsamen europäischen Marktes ausspielen. Anders als bei der internationalen Konkurrenz können zudem Transparenz und Nachvollziehbarkeit von KI-Modellen ein wertvolles Plus sein.

In diesen Zusammenhang passt auch, dass wir mit dem AI Act der EU einen akzeptablen regulatorischen Rahmen haben, der mit seinem anwendungsbezogenen Ansatz und seinen allgemeinen Risikokategorien die betroffenen Unternehmen nicht zu Tode bürokratisiert. Er trat am 21. Mai 2024 in Kraft.

In bester deutscher Tradition

Typisch deutsch und durchaus positiv ist das Bild der geografischen Verteilung der KI-Startups. Dabei stechen Berlin und der Großraum München deutlich hervor. – Ohne dabei die KI-Landschaft zu monopolisieren.

Quelle: German AI Startup Landscape 2023

Der Anteil der beiden Städte beläuft sich auf insgesamt 52 Prozent aller Unternehmen. Berlin kann sich – basierend auf einem Tracking der letzten sechs Jahre – sogar mit Platz 20 im Ranking der Top Startup Städte der Welt schmücken. Außer Berlin rangiert nur noch London (Rang 7) als weitere europäische Stadt auf der Top 20 Liste.

 

Quelle: https://www.visualcapitalist.com/top-startup-cities-around-the-world/

Aber auch kleinere Städte spielen in unserem Land eine Rolle. Ende 2023 erreichten Hamburg (41), Darmstadt (17), Karlsruhe (17) und Köln (15) immerhin eine zweistellige Anzahl von KI-Startups. Das sieht nach bester deutscher Tradition aus. Eine verteilte, mittelständisch geprägte Wirtschaft mit entsprechender Resilienz. Bemerkenswert ist, dass die beiden oben erwähnten, deutschen Flaggschiffe Aleph Alpha und DeepL sich in Heidelberg und Köln befinden. Schlau sein kann man eben überall.

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