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Kryptowährungen – Transformative Kraft und Quelle von Skandalen

Auch digitale Münzen haben zwei Seiten

Skandale gehören zu den Kryptowährungen wie die Hacker zum Dark Net. Dabei unterscheiden sie sich grundsätzlich nicht von "normalen" Währungen: Sie dienen als Recheneinheit, als Wertanlage und als Bezahlsystem. Als anonymes Bezahlsystem in einem bisher noch wenig regulierten Markt sind sie bei unterschiedlichsten Zielgruppen beliebt. Wer mit Bitcoin, Ethereum oder Binance Coins bezahlt, bleibt im Verborgenen. Das macht sie z.B. für den Einkauf auf den Handelsplattformen des dunklen Netzes recht gefahrlos. Auch für die Begleichung von Lösegeldforderungen sind sie hoch im Kurs oder für die diskrete Erledigung von Geschäften, mit denen staatliche Sanktionen umgangen werden. Ihre extreme Volatilität an den Kryptobörsen wie Kraken, Coinbase Exchange oder der weltgrößten, Binance, macht sie zum perfekten Spekulationsobjekt. Spekulation kann – trotz aller damit verbundenen Risiken – immer noch als einer der häufigsten "Use Cases" von Kryptos gelten, was sie als Geldanlage gefährlich macht. Bitcoins stellen aufgrund ihrer Bedeutung in diesem Markt eine Art Leitwährung dar. Aber auch sie sind vor heftigen Preissprüngen nicht gefeit. Ihr Preis stieg von knapp 5.000 US Dollar im März 2020 auf über 63.000 im April 2021. Keine Aktie und keine Währung der Welt kann mit ähnlichen Renditen aufwarten. Zwei Monate später war er um fast die Hälfte gefallen. Für "Früheinsteiger" im März 2020 und "Spätaussteiger" im Juni 2021 immer noch ein sehr satter Gewinn. Auch im Intraday Trading können die Schwankungen heftig sein. Kryptowährungen bewegen sich oft mehr als 10% innerhalb weniger Stunden. Würde das Gleiche mit einer bedeutenden FIAT Währung (etwa Euro, Yuan, Yen oder US Dollar) passieren, dann würden wir von einer Wirtschaftskrise in die nächste taumeln. Die Handelsvolumina der Kryptos sind gemessen an ihrer noch überschaubaren Bedeutung für die Realwirtschaft recht beachtlich. Laut CoinMarketCap, dem meist referenzierten Lieferanten statistischer Daten zu den Kryptobörsen, belief sich die 24-Stunden Marktkapitalisierung an den 226 dort gelisteten Börsen am 13. November 2023 auf 242,48 Milliarden Dollar. Das durchschnittliche Handelsvolumen auf Binance alleine stieg während des "Peak" im August 2022 auf durchschnittlich 76 Milliarden US Dollar täglich und 90 Millionen Kunden weltweit. Die chinesischen Gründer von Binance schafften es nach ihrer Etablierung im Jahre 2017 innerhalb von nur 180 Tagen den Platz 1 unter den Börsen zu erobern.

Kryptos wurden ursprünglich als Zahlungsmittel für die Realwirschaft konzipiert. Die Gründe dafür wurden 2008 in einem neunseitigen White Paper von Satoshi Nakamoto beschrieben: „Was wir brauchen ist ein elektronisches Zahlungssystem, das auf kryptographischen Beweisen statt auf Vertrauen basiert, das es zwei willigen Parteien ermöglicht, direkt miteinander zu handeln, ohne dass eine vertrauenswürdige dritte Partei erforderlich ist.“ Bis heute weiß niemand, wer sich hinter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto verbirgt, auch nicht, ob es sich um eine Einzelperson oder eine ganze Gruppe handelt.

Foto von Vincenzo Malagoli

Zwei Schritte vor und einer zurück

Als echte Zahlungsmittel sind sie über 15 Jahre später noch wenig im Gebrauch und dringen nur langsam Schritt für Schritt vor. Dafür gibt es eine Reihe unterschiedlicher Gründe. Beispielhaft angeführt sei der unsichere gesetzgeberische Rahmen, gelegentlich vorkommende Hackerangriffe auf Wallets und Kryptobörsen, die schon angesprochenen, sehr hohen Wertschwankungen und technische Restriktionen, die zu begrenzter Verfügbarkeit und Handelbarkeit dieser weitgehend privaten Währungen führen. Als prominentes Beispiel für ihr Vordringen hat zuletzt die Autoschmiede Ferrari im Oktober 2023 angekündigt, für den Kauf seiner Sportwagen – zunächst in den USA – Kryptos zu akzeptieren. Der Bezahldienst Paypal hat im August 2023 einen Stable Coin angekündigt und ist damit das erste bedeutende Finanzunternehmen, das eine eigene digitale Währung für seine Dienste nutzt. Ganz überraschend kam das nicht, da Paypal seinen Kunden schon März 2021 erlaubte, in Online-Shops mit bestimmten Kryptos zu bezahlen. Im gleichen Monat machte Tesla durch die Ankündigung Schlagzeilen, dass seine Autos mit Bitcoins gekauft werden können. Die Preise waren allerdings nach wie vor in Dollar und wurden von Tesla tagesaktuell in Bitcoins umgerechnet. So nimmt man dem Ganzen das Risiko. Nur sehr kurze Zeit später legte der Autobauer aber den Rückwärtsgang ein und entfernte diese Bezahloption wieder. Als Grund wurde der hohe Energieverbrauch angegeben, der bei der Erzeugung der digitalen Währung entsteht. Einen richtigen Push aber dürfte eine jüngste Initiative des amerikanischen Investment-Giganten Black Rock dem Thema "Investieren in digitales Geld" verleihen. Laut einer Meldung des Nachrichtendienstes Reuters vom 17. November 2023 hat Black Rock kurz zuvor einen Ethereum ETF registriert, der an der NASDAQ gehandelt werden soll. Wenn er von der amerikanischen Börsenaufsicht genehmigt wird, können Investoren zukünftig mit Ethereum Coins spekulieren, ohne diese direkt selbst zu besitzen.

Wenn aber kriminelle Machenschaften oder schlechtes Management Kryptowährungen zur Gefahr für ahnungslose Anleger machen, dann ist spätestens der Gesetzgeber gefragt. Die Pleite der erst 2019 gegründeten Kryptobörse FTX und der mit ihr zusammenhängenden Investmentfirma Alameda Research hat dies schlagartig ins öffentliche Bewusstsein und mit noch mehr Nachdruck auf die politische Agenda gehievt. Sam Bankman-Fried (kurz SBF), ein Liebling der Venture Capitalists und schillernde Persönlichkeit, musste Ende November 2022 erst Konkurs anmelden und dann in den Knast gehen. In einem ersten Verfahren wurde der 31-jährige in sieben Betrugsfällen für schuldig befunden, ein Verfahren im Frühjahr 2024 in fünf weiteren Fällen wartet noch auf ihn. Was war passiert?

Nachdem Zhao Changpeng, der CEO von Binance, am 07. November bekannt gegeben hatte, dass seine Organisation sich aller von FTX herausgegebenen Coins ("Tokens") entledigen werde, stürzte deren Wert ab und für SBF persönlich, seine Investmentfirma Alameda Research, die Börse FTX und zahlreiche Anleger tat sich die Hölle auf. Eines der vielen Vergehen bestand darin, dass er ohne dies bekannt zu machen, schon Anfang 2022 mindestens 4 Milliarden US Dollar vom Geld der FTX-Kunden zu Alameda transferiert hatte. Weitere Vergehen und Verstöße wurden öffentlich, am Ende stand die oben geschilderte Verurteilung. Für die Anleger bedeutete das Milliardenverluste. Der enorme Absturz war somit ein Ergebnis illegaler Machenschaften und weniger von normalen Verwerfungen im Markt. 

Ungewisse Zukunft

Die Zukunft der Kryptowährungen wird sehr stark von der Gesetzeslage und der Regulierung abhängen, mit denen die Staaten dieser Welt ihnen begegnen werden. In einem Beitrag für das World Economic Forum vom Dezember 2022 erklärt Jon Danielsson, Director der London School of Economics, warum er u.a. deshalb für die Zukunft der Kryptos schwarz sieht.

Politik sei grundlegend für Kryptos. Ihr Gründungsmythos sei eine Welt, in der Technologie korrupte Menschen und ihre Organisationen ersetze. Anstatt von FIAT-Geld, das von Regierungen mit ihren extrem niedrigen Zinsen und wiederholter quantitativer Lockerung missbraucht werde, sei digitales Geld, das von einem Algorithmus geschaffen und geregelt wird, fair programmiert. Ein solches Krypto-Finanzsystem verspreche viel effizienter zu sein als das, was wir heute haben, mit modernen Algorithmen, Programmiersprachen und Systemen, die ein kostspieliges, fehleranfälliges, korruptes Bankensystem ersetzen – eines mit Jahrhunderten von überkommenen Praktiken und mehr als einem halben Jahrhundert von inkrementellen Änderungen an seinen IT-Systemen, von denen vieles noch auf Cobol basiere, das vor einem halben Jahrhundert geschrieben wurde.

Foto Europäische Union

Es ist offensichtlich, das Kryptowährungen das Versprechen einer besseren (Finanz-) Welt bisher nicht eingehalten haben. Zudem müssen immer mehr Kryptobörsen und Emittenten von Coins sich heute schon an staatliche Vorgaben halten, die sie in das althergebrachte System führen. – Ein Trend, der weiter zu nimmt. Die im Juni 2023 in Kraft getretene Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR) der EU ist ein zukunftsgerichtetes, innovationsfreundliches Beispiel dafür. Ähnliches passiert in Singapore, Japan und anderen Staaten. Doch damit nicht genug: Technologien, wie sie etwa von Anbietern wie Chainalysis bereitgestellt werden, erlauben es Krypto-Transaktionen zurück zu verfolgen und sie mit ihren Urhebern in Verbindung zu bringen. Aufgeflogen ist mithilfe solcher Techniken beispielsweise eine Gruppe von Kinderschändern auf den Philippinen. Sie erlaubte ihren australischen Kunden, Wünsche für den Missbrauch der Kinder zu äußern, während diese die "Darbietungen" über einen Streamingdienst verfolgten. Auf die Spur gekommen war ihnen die australische Regierungsbehörde AUSTRAC durch die Analyse von Krypto-Zahlungsströmen.

Am optimistischen Ende des Spektrums sind Regierungen, wie die von Hong Kong, die in den Kryptos eine neue Chance für ihren Standort sehen. Dort versucht man, durch eine kreative, kryptofreundliche Gesetzgebung eine Brücke zur "alten" Finanzwelt zu schlagen. Offensichtlich hat der Skandal um die dortige Kryptobörse JPEX vom September 2023, durch die Investoren in einer Höhe von 192 Millionen US Dollar betrogen wurden, dem wenig anhaben können. Hong Kong sieht das Thema digitale Währungen aber auch nicht isoliert, sondern in einem großen, strategischen Zusammenhang. Dort hat man sich in einem umfassenden Ansatz auf den Weg zu einem "Web 3.0 Standort" gemacht, der nicht nur der Krypto-Finanzwelt, sondern Firmen aus dem gesamten Umfeld des neuen Blockchain-basierten, dezentralen Internets eine Heimat bieten will. Das Rennen um die beste Strategie und den besten Ansatz ist offen und ich werde es weiterhin mit Spannung beobachten.

 

Beitragsbild Bybit auf Flickr

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