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SaaS stirbt. – Die langen Schatten der KI Agenten.

Das Ende einer Ära

Was als Time-Sharing-Modell auf dem Mainframe in den späten 1960er Jahren begann und sich seit Anfang des neuen Jahrtausends zum Standard für Softwarenutzung entwickelte, geht nun seinem Ende entgegen. Die Cloud-Computing-Landschaft steht vor einer tektonischen Verschiebung. Ein Schwarm von "Aliens" in Form von KI-Agenten wirft seinen Schatten voraus und wird die SaaS-Branche zunehmend umgestalten. Während die Technologie einen großen Sprung nach vorne darstellt, werden die heutigen Anbieter von SaaS-Anwendungen einen nicht einfachen, transformativen Prozess durchlaufen müssen.

"AI is the new UI"

So beschrieb Satya Nadella, CEO von Microsoft, die Zukunft jenseits traditioneller SaaS-Anwendungen auf der Ignite im November 2024 in Chicago. Andere große Hersteller wie Salesforce, Oracle, SAP und Google sind mit Nadella an Bord. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf alle Unternehmen, die heute noch SaaS-Anwendungen nutzen oder anbieten. KI als neues User Interface trifft den Nagel auf den Kopf, beschreibt aber dennoch nur den oberflächlichen Aspekt der Transformation.

Das SaaS-Modell basiert darauf, dass Anwender direkt über ihre Benutzeroberfläche mit Applikationen interagieren. Sie geben ihnen Befehle, pflegen Daten oder empfangen und überprüfen Ergebnisse. Die in der Anwendung hinterlegte Geschäftslogik sorgt für zielgerichtete Resultate. Das neue Paradigma von Agent-as-a-Service (AaaS) kehrt dieses Skipt um. Anstelle der direkten Benutzerinteraktion werden KI-Agenten zu Vermittlern des Benutzerwillens. Um beim Microsoft-Beispiel zu bleiben: Der Anwender richtet eine Anfrage in natürlicher Sprache an Copilot, worauf dieser sie für eine beliebige Anzahl von KI-Agenten aufbereitet. Die Agenten haben unterschiedliche Aufgaben, wie z. B. Datenabruf, Analyse oder die Erstellung von Berichten. Sie arbeiten parallel und modularisiert. Copilot konsolidiert die Ergebnisse und präsentiert sie dem Benutzer.

Quelle: Microsoft

Bye, bye Anwendungsorientierung

Agenten, die von hochentwickelten KI-Modellen im Backend mit Intelligenz "versorgt" werden, nutzen nicht nur verschiedene Datenquellen, darunter Datenbanken und IoT-Geräte, sondern auch APIs zu anderen Systemen. Sie können komplexe Aufgaben ausführen, Daten zusammenführen und analysieren und Entscheidungen treffen. All dies geschieht ohne direkte menschliche Intervention. Das macht sie autonom. KI-Agenten können bedarfsgerecht für ganz unterschiedliche Aufgaben lizenziert oder von der eigenen IT-Abteilung entwickelt werden. Low Code Tools – wie in diesem Falle die Plattform Copilot Studio – erleichtern dies. Beispiele für Agenten sind die Identifizierung eines ICP (Ideal Customer Profile) für eine Marketingkampagne, die Optimierung einer Lieferkette oder die Betrugserkennung in Finanzsystemen.

Auf diese Weise verlagert sich der Fokus von der Anwendungsorientierung zur Agentenorientierung. Da die Agenten sich zudem hochgradig individualisieren lassen, nimmt auch die Nutzerorientierung zu. Das KI-Modell im Backend wird zum "Gehirn", das die Aktionen der Agenten steuert und sie auf spezifische Bedürfnisse zuschneidet. Dies ermöglicht ein Maß an Personalisierung und Automatisierung, das weit über das hinausgeht, was mit traditionellem SaaS möglich ist. Stell Dir einen Agenten vor, der nicht nur Deinen Kalender verwaltet, sondern auch Deine Reisebedürfnisse antizipiert, Flüge und Unterkünfte bucht und sogar Deinen Besprechungsplan auf der Grundlage von Echtzeit-Verkehrsdaten anpasst. – Alles ohne dass Du einen Finger rühren musst.

Bild erstellt mit MS Designer

Branchengrößen und Analysten

Nadellas Vision deckt sich mit einem wachsenden Trend. Obwohl Microsoft den "Tod von SaaS" noch nicht explizit erklärt hat, deutet der Fokus auf agentenbasierte Technologien in eine klare Richtung. Investitionen in konversationelle KI, Automatisierung und Cloud-Infrastruktur bilden das Fundament für die neue Ära. Die Salesforce Einstein-Plattform beispielsweise integriert KI in ihre CRM-Angebote. Nach ihrer Gründung 1999 war das Unternehmen eine wichtige Geburtshelferin des modernen SaaS. Heute spielt es erneut diese Rolle bei Agenten.

Auch die Analysten konzentrieren sich zunehmend auf das Thema. In ihren Prognosen über die Zukunft der Arbeit betont etwa Gartner die wachsende Rolle von KI und Automatisierung. Sie sehen eine Welt voraus, in der KI-Agenten die menschlichen Fähigkeiten ergänzen, repetitive Aufgaben übernehmen und Menschen für strategischere Arbeit freisetzen.

Evolution statt Revolution

Die Ablösung von SaaS durch AaaS wird nicht über Nacht geschehen. Statt einer Revolution werden wir eine sehr rasche Evolution erleben. Die operativen SaaS-Anwendungen bei unzähligen Kunden sind zu unternehmenskritisch, um sie zu vertretbaren Kosten schnell zu ersetzen. Analysten sehen folgende Szenarien voraus:

  1. Augmentierung: KI erweitert bestehende SaaS-Anwendungen und -Funktionen durch intelligente Empfehlungen, automatisierte Workflows und prädiktive Analysen. Dies ist bereits heute Realität, man denke an Salesforce Einstein, Anwendungen im Gesundheitswesen, wie etwa Bio Beats, oder Projektmanagementsoftware wie Zoho Projects.
  2. Hybridmodelle: Auch hierfür gibt es bereits erste praktische Beispiele. In Zukunft werden wir zunehmend Anwendungen sehen, in denen KI-Agenten und menschliche Benutzer nahtlos zusammenarbeiten. Die Agenten werden repetitive Aufgaben automatisieren, wertvolle Unterstützung für komplexe Prozesse bieten und die IT-Effizienz deutlich steigern. Netzwerküberwachung für Sicherheitszwecke, Code-Generierung und Projektmanagement-Unterstützung sind Beispiele.
  3. Agentenzentrierte Plattformen: Schließlich werden wir den Aufstieg vollständig agentenzentrierter Plattformen erleben, bei denen die "Copiloten" dieser Welt die primäre Schnittstelle für den Benutzer sind und Agenten autonom mit der zugrunde liegenden Infrastruktur agieren.

Für alle diese Schritte werden die Basistechnologien bestehen bleiben: maschinelles Lernen, natürliche Sprachverarbeitung und Cloud Computing.

Der Übergang zur Agentenorientierung ist bereits im Gange und wird sich in den kommenden Jahren deutlich beschleunigen. Bedenkt man, dass wir uns erst am Anfang des KI-Zeitalters befinden, ist schon viel passiert. Die raschen Fortschritte in der KI, die zunehmende Verfügbarkeit großer Datenmengen und die wachsende Nachfrage nach Automatisierung sind alle treibende Kräfte. Darüber hinaus sehen wir mit DeepSeek, wie kostengünstigere Modelle den Markt verändern und ihn für breite Nutzerschichten im B2B-Bereich attraktiver machen werden. – Nicht immer zur Freude der etablierten KI-Hersteller, die sowohl bei der Entwicklung als auch beim Training ihrer Modelle sehr hohe Investitionen benötigen.

Wir werden also in den nächsten, voraussichtlich 5 bis 10 Jahren eine bedeutende Transformation in Richtung AaaS erleben. Vollständig agentenzentrierte Plattformen werden gegen Ende dieses Zeitraums üblich sein. Wehe dem, der diesen Zug verpasst.

 

Auswirkungen auf SaaS-Anbieter

Dieser Paradigmenwechsel stellt SaaS-Anbieter vor technische und wirtschaftliche Herausforderungen, bietet aber auch gute Chancen. Dennoch drängt die Zeit. Kunden werden zunehmend KI-gestützte Systeme verlangen. KI ist und wird immer mehr das Thema sein, weniger die IT als solche. Was können SaaS-Anbieter tun?

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Anpassen oder obsolet werden: Anbieter, die dauerhaft am traditionellen SaaS-Modell festhalten, riskieren, obsolet zu werden. Sie müssen in KI investieren, Expertise erlangen und "KI-fähig" werden, agentenbasierte Fähigkeiten entwickeln und ihre Produktstrategien überdenken.

Fokus auf Plattform und Infrastruktur: Da Agenten zur primären Schnittstelle werden, verschiebt sich das Wertversprechen auf die zugrunde liegende Plattform und Infrastruktur. SaaS-Anbieter müssen sich darauf konzentrieren, robuste, skalierbare und sichere Plattformen bereitzustellen, die KI-Agenten unterstützen können.

Kooperationen pflegen: Die Zusammenarbeit mit KI-Entwicklern und Datenanbietern wird entscheidend sein. SaaS-Anbieter müssen Ökosysteme aufbauen, die die nahtlose Integration von KI-Agenten in ihre Plattformen ermöglichen.

Preismodelle überdenken: Traditionelle, auf Abonnements basierende SaaS-Preismodelle müssen möglicherweise überarbeitet werden. Es werden daneben auch neue Modelle entstehen, die den von KI-Agenten gelieferten Wert widerspiegeln.

Fazit

Die Zukunft der Software ist intelligent, autonom und agentengesteuert. Obwohl das vollständige Verschwinden von SaaS eher eine mittel- bis langfristige Perspektive ist, ist die Richtung klar. SaaS-Anbieter müssen sich an diese veränderte Landschaft anpassen, KI nutzen und ihre Angebote neu gestalten, um im Zeitalter der intelligenten Agenten erfolgreich zu bestehen. Der Übergang wird nicht einfach sein, aber die Chancen sind beträchtlich. Wer schnell genug ist, kann den heutigen "Me-too" Markt der SaaS-Anwendungen hinter sich lassen und frühzeitig Wettbewerbsvorteile generieren.

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